Wie digital sind die Parteien?

LEAD digital | Bundestagswahl 2017 | von Alexander Krapp

Wohl kaum eine Partei umschmeichelt die digitale Wirtschaft mehr als die FDP. Und tatsächlich geben die Liberalen ja – zumindest auf den ersten Blick – ein recht stimmiges Bild ab. Das fängt schon beim Parteivorsitzenden Christian Lindner an: ein Unternehmertyp, der auch die Kultur des Scheiterns ebenso gekonnt wie glaubhaft inszeniert. Ob per Viral-Hit – seine Wutrede erzielte immerhin mehr als 250.000 Views und 2.000 Likes – und auf Fuckup-Nights, wo er selbstbewusst die Geschichte des Scheiterns erzählt und kokett formuliert: „Ich habe zwei Unternehmen gegründet – das eine war erfolgreich und das andere war lehrreich.“ Lindner spielt damit auf die Pleite der Firma Moomax im Januar 2002 an, deren Mit-Geschäftsführer er zu diesem Zeitpunkt war.

Doch Digitalisierung ist in der FDP keine Oneman-Show, sondern zieht sich als ein zentraler Punkt durch die Agenda. Nicht alles muss man gut finden. Etwa das Digitalisierungsministerium: Es mag in der Tat ein Manko sein, dass die digitale Agenda der Bundesregierung auf mehrere Ministerien verteilt sei und auch der Netzausbau schleppend vorankomme. Doch andererseits: Dass ausgerechnet eine Partei, die wie keine andere für den Bürokratieabbau eintritt, nun eine weitere Verwaltungsbehörde einfordert, ist das falsche Signal. Warum nicht die Kompetenzen im Wirtschaftsministerium bündeln? Ansonsten geht es der FDP darum, das Tempo der Digitalisierung zu erhöhen: Verwaltungsvorgänge durch E-Government beschleunigen, die digitale Infrastruktur verbessern, die digitale Technologie an den Schulen verstärkt einsetzen und wirksame internationale Datenschutzstandards etablieren. Wer mag dazu nein sagen? Und klar: die Digitalisierung schafft Freiräume für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ermöglicht eine flexiblere Arbeitskultur.

Digitalisierung bestärkt Kernklientel, doch verschenkt das Potenzial neue Wähler zu gewinnen

Digitalisierung – für die FDP ist das Thema eine weitere Facette, um ihren wirtschaftsliberalen Kurs zu unterstreichen. Es bestärkt die Kernklientel, doch verschenkt das Potenzial, neue Wähler zu gewinnen. Ein Manko, das sich durch die Fraktionen zieht: Digitalisierung – das ist immer so eine Art Appendix, der auf das Große-Ganze der jeweiligen parteipolitischen Linie einzuzahlen hat. So ist das Thema bei Bündnis 90/Grünen vor allem eines, das die Teilaspekte Verbraucherschutz sowie Ökologie und Nachhaltigkeit stützen soll. Datenschutz verbessern und die ökologischen Chancen der Digitalisierung nutzen, sind folglich zentrale Punkte. Zur konkreten Umsetzung empfehlen die Grünen etwa Smart Grids – intelligente, digital gesteuerte Netze – die dabei helfen, die schwankenden Strommengen aus Wind und Sonne auszugleichen. Die Linken wiederum sehen die Digitalisierung als Chance, die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken, immerhin ermögliche diese etwa die „Rückgewinnung von Zeitsouveränität in Arbeit und Leben“. Und die AfD verharrt im bekannten Apokalypse-Modus, schließlich könne die Gefahr von Cyberkriegen durch das Ausland nicht ausgeschlossen werden.

Digitalisierung wird nur bruchstückhaft vermittelt

Jeder zimmert sich die digitale Zukunft so zurecht, wie es ihm gerade parteipolitisch passt. Aspekte, die nicht opportun sind, werden einfach ausgeblendet. Doch damit verliert das Thema in seiner Gesamtheit komplett an Bedeutung – weil die digitale Transformation mit all ihren Auswirkungen auf zentrale Felder wie Wirtschaft, Politik, Bildung, Recht und Ökologie nur bruchstückhaft vermittelt wird. Damit vertun sie die Chance, ihre Wähler auf die Reise in die Zukunft wirklich „mitzunehmen“.

Wer erwartet, dass die SPD eher vermitteln kann, wie die Digitalisierung das Leben ihrer Wähler nachhaltig verändert, irrt. Die stehen erst recht am Anfang. Die SPD plädiert für schnelle, leistungsstarke und bezahlbare Internetanschlüsse für alle und verweist ansonsten auf das Grundsatzparteiprogramm von 2015.

Die CDU/CSU-Fraktion kann – stellvertretend für die Bundesregierung – immerhin die digitale Agenda ins Feld führen: ein Projekt, das im Koalitionsvertrag 2013 festgehalten wurde. Die Drei-Jahresbilanz legte man Ende April vor. Und so sehr Bundesinnenminister Thomas de Maizère sich bei der Präsentation selbst auf die Schulter klopfte („Was die Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren erreicht hat, kann sich sehen lassen“) – das ambitionierte Vorhaben bleibt Stückwerk. Nach Recherchen des Verbandes der Internetwirtschaft Eco sei erst gut die Hälfte umgesetzt.

Fazit: Digitalisierung – das ist für die Parteien zumeist Mittel zum Zweck, die bekannten und vom Wähler meist wohl auch so erwarteten Topics werden mehr oder weniger phantasievoll in die digitale Welt verlängert. Die Chance, hier neue Themen zu besetzen oder die Digitalisierung gar als ein Schwerpunktthema zu definieren – wie es die Piratenpartei versucht hat – bleibt ungenutzt. Eigentlich schade.